Scheinselbständigkeit Teil II: Auswirkungen

on November 24 | in 3 tagwerktipps, 9 Beiträge, Ideen, Träumereien | by | with No Comments


Welche Auswirkungen die Feststellung von Scheinselbständigkeit auf Euch Freelancer und auf Euren Auftraggeber haben kann, lest Ihr in diesem Beitrag.

Folgen von Scheinselbständigkeit in der tagwerk Infografik

In unserem ersten Blogbeitrag zum Thema Scheinselbständigkeit, „Scheinselbständigkeit Teil I: Kriterien„, haben wir Euch bereits beschrieben, welchen Indizien die Prüfer nachgehen, um eine etwaige Scheinselbständigkeit festzustellen. Zusammenfassend gilt, dass Ihr als Freelancer und Selbständige von Eurem Auftraggeber nicht zu sehr in Eurer selbständigen Arbeitsweise, Eurer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, Eurer Arbeitszeit und Eurem Arbeitsort beeinträchtigt werden dürft.
In diesem Beitrag geht es nun um die Auswirkungen, die die Feststellung von Scheinselbständigkeit auf Euch Freelancer und auf Euren Auftraggeber haben kann.

Eine grafisch aufbereitete Darstellung der Merkmale und Folgen findet Ihr zusätzlich in dieser Infografik.

Welche Auswirkungen hat die Feststellung von Scheinselbständigkeit auf den Auftraggeber?

Der bisherige „Auftraggeber“ wird nach der Beurteilung zum „Arbeitgeber“ und obliegt damit -auch rückwirkend- allen entsprechenden Haftungs- und Zahlungsverpflichtungen:

– Der ehem. Auftraggeber ist verpflichtet, die ausstehenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung rückwirkend für bis zu vier Jahre nachzuzahlen, gegebenenfalls auch plus Säumniszuschläge. *
– Wird ihm Vorsatz nachgewiesen, sind Bußgelder, Gefängnisstrafen und Rückzahlungsforderungen für bis zu 30 Jahre möglich.
– Das Finanzamt kann bis zu vier Jahre rückwirkend vom ehem. Auftraggeber die jeweilig fällige Lohnsteuer verlangen.
– Wenn die Prüfung ergibt, dass der Mitarbeiter kein Unternehmer ist, so wird auch die Ausweisung der Umsatzsteuer auf seinen Rechnungen unwirksam. Der erfolgte Vorsteuerabzug für den Auftraggeber war somit unzulässig, die abgezogenen Vorsteuerbeträge müssen für die jeweiligen Kalenderjahre berichtigt und zurückgezahlt werden.
– Der ehem. Auftraggeber muss dem ehem. Auftragnehmer ab der Feststellung der Scheinselbständigkeit alle Rechte zugestehen, die ein Mitarbeiter des Unternehmens genießt.

* Eine Ausnahmeregelung tritt ein, wenn  innerhalb eines Monats nach Beginn der Zusammenarbeit ein Antrag auf Statusfeststellung ein positives Ergebnis hervorbringt. Dann tritt die Sozialversicherungspflicht zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die unanfechtbare Entscheidung vorliegt. Sofern Ihr als Selbständige zustimmt und  für den Zeitraum der Prüfung eine Absicherung gegen die Risiken von Krankheit und Altersvorsorge vorgenommen habt, die den Leistungen der Kranken- und Rentenversicherungen entsprechen.

Welche Auswirkungen hat die Feststellung von Scheinselbständigkeit auf den Auftragnehmer?

– Als bisher “freie Mitarbeiter” bekommt Ihr nachträglich zum Beginn des Beschäftigungsverhältnisses den Status des „Arbeitnehmers“. Eure Selbständigkeit ist nunmehr beendet.
– Ihr habt damit alle Rechte, die ein Mitarbeiter des Unternehmens genießt: So muss Euch auch der Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch sowie Lohnfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfall gewährt werden. Außerdem habt Ihr ein Anrecht auf laufende Nettogehaltszahlungen in der Höhe des 
bisherigen Honorars.
– Euer ehem. Auftraggeber kann die Arbeitnehmeranteile an den Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge für die vergangenen 3 Monate von Eurem 
„künftigen Gehalt“  abziehen, da Ihr gemeinsame „Gesamtschuldner“ für die ausstehenden Zahlungen seid. Die Beitragshöhe ist abhängig vom jeweilig vereinbarten Honorar, das ja nun durch das Nettogehalt ersetzt wird.
– Unter Umständen seid Ihr Eure auf den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer schuldig. Ihr könnt die Rechnungen aber nachträglich berichtigen, sofern Ihr die unberechtigte Steuerausweisung gegenüber Eurem Kunden für ungültig erklärt. Der Vorsteuerabzug darf außerdem noch nicht durchgeführt worden sein oder Ihr müsstet die geltend gemachte Vorsteuer bereits an das Finanzamt zurückgezahlt haben.
– Mit Feststellung der Scheinselbstständigkeit wird Eure unternehmerische Tätigkeit als beendet erklärt. Ihr müsst also Euer jeweiliges Gewerbe beim zuständigen Gewerbeamt abmelden.
– Auch die gesetzliche Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer endet zu diesem Zeitpunkt.

Wie vermeidet man die die Feststellung der Scheinselbständigkeit?

– Versucht sicherzustellen, dass Ihr so wenige der genannten Kriterien wie möglich erfüllt.
– Wenn Ihr unsicher sind, lasst Euch beim Steuerberater oder bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund beraten.
– Sowohl Ihr als Selbständige als auch Euer Auftraggeber  können eine Klärung der Statusfrage bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragen, sofern diese nicht bereits selber ein Verfahren eingeleitet hat. Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Entscheidung vor einem endgültigen Urteil bekannt zu machen, um allen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, weitere erhebliche Tatsachen und rechtliche Gesichtspunkte hervorzubringen, die die Entscheidung beeinflussen könnten. 

Widerspruch und Klage gegen diese Entscheidung haben aufschiebende Wirkung.
– Als Existenzgründer solltet Ihr innerhalb der ersten 3 Monate nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung Bund den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für die ersten 3 Jahre der Selbständigkeit beantragen.
– Ihr und Euer Auftraggeber solltet darauf achten, jeweils getrennte, eigenständige Software für die Aufwandserfassung, Budgetrahmen und Rechnungsstellung zu nutzen. Mit tagwerk corporate schaffen wir momentan eine online Software, die genau diese Trennung von Systemen für Auftraggeber und Auftragnehmer gewährleistet und zugleich volles Reporting, Controlling, Transparenz und optimale Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit schafft. Mehr Informationen dazu gibt es hier.  

Quellen und weiterführende Informationen:

IHK Frankfurt-Main
http://www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/arbeitsrecht/scheinselbstaendigkeit/
Deutsche Rentenversicherung Bund
http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/2_Rente_Reha/01_rente/01_grundwissen/01_wer_ist_pflichtversichert/01a_selbststaendige/04_personen_mit_einem_auftraggeber.html
BFB
http://www.freie-berufe.de/themen/soziale-sicherung/scheinselbststaendigkeit.html
WirtschaftsWoche
http://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht/rein-rechtlich-scheinselbststaendigkeit-boese-falle-fuer-unternehmer/8183884.html
http://www.vermittlerberatung.com/folgen-fur-den-auftraggeber-bei-scheinselbststandigkeit-von-auftragnehmern-und-mogliche-risikominimierung-durch-den-auftraggeber
Süddeutsche Zeitung online
http://www.sueddeutsche.de/politik/billige-arbeitskraefte-wie-der-bundestag-scheinselbstaendige-ausnutzt-1.1694438-2
Abendzeitung München zur Verurteilung eines Unternehmers
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.wegen-scheinselbstaendigen-muenchner-reinigungsunternehmer-verurteilt.d54f875a-c52a-4c25-b327-e738aebe0e7b.html

Aus dem tagwerkblog: Wie Ihr mit tagwerk corporate ein Kriterium von Scheinselbständigkeit ausschließt
http://mein-tagwerk.de/app/blog/content/scheinselbstandigkeit-vermeiden-mit-tagwerk-corporate.html

Bitte beachtet, dass dieser Beitrag  nicht die rechtliche oder formale Beratung durch einen Steuerberater, einen Anwalt oder die Deutschen Rentenversicherung Bund ersetzt. Er dient lediglich als Überblick über mögliche Kriterien und Folgen der Scheinselbständigkeit.

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