Scheinselbständigkeit Teil I: Kriterien

on November 11 | in 3 tagwerktipps, 9 Beiträge, Ideen, Träumereien | by | with No Comments

Dieser Blogbeitrag gibt Euch einen Überblick, was der Begriff Scheinselbständigkeit  bedeutet und welche Kriterien herbeigezogen werden, um den Status der Selbständigkeit von Freelancern bzw. Freien Mitarbeitern zu überprüfen.

Kriterien und Merkmale von Scheinselbständigkeit veranschaulicht in Infografik von tagwerk

Die Zusammenarbeit von Unternehmen und Selbständigen bietet ohne Frage viele Vorteile für beide Seiten. Sobald aber das Thema Scheinselbständigkeit zur Sprache kommt, werden die Rahmenbedingungen für die Gestaltung dieser Zusammenarbeit deutlich -andernfalls drohen verheerende Auswirkungen sowohl für Auftragnehmer als auch für Auftraggeber. Dieser Beitrag  „Scheinselbständigkeit Teil I: Kriterien“ gibt Euch einen Überblick, was der Begriff Scheinselbständigkeit  bedeutet und welche Kriterien herbeigezogen werden, um den Status der Selbständigkeit zu überprüfen.

Im zweiten Teil zum Thema, „Scheinselbständigkeit Teil II: Auswirkungen“, stellen wir Euch die jeweiligen Auswirkungen auf Auftragnehmer, also auf den Freelancer oder Selbständigen sowie für den Auftraggeber, das Unternehmen, vor und geben Euch Tipps, wie Ihr sie vermeiden könnt.

Einen grafisch aufbereiteten Überblick über die Merkmale und Folgen bietet diese Infografik.

Was ist Scheinselbständigkeit?

Scheinselbständigkeit ist die Bezeichnung für ein Arbeitsverhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmer, bei dem der Mitarbeiter zwar vertraglich als selbständig bezeichnet wird, tatsächlich aber wie ein Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis handeln muss. Der Mitarbeiter gilt dann als abhängig beschäftigt und ist somit versicherungspflichtig.

Wer beurteilt das?

Die Prüfung, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt, wird immer im Einzelfall betrachtet und kann von verschiedenen Stellen geprüft und festgestellt werden, wobei diese nicht zwingend zum selben Ergebnis kommen müssen.

Die Prüfung kann erfolgen…
– … von der  Deutschen Rentenversicherung Bund, ehemals BfA (eigenständig oder auf Antrag des Auftraggebers oder Auftragnehmers)
–  … von einem Arbeitsgericht (z.B. wenn der Freelancer seinen Kündigungsschutz einklagen möchte, weil sein Auftraggeber das Vertragsverhältnis beenden möchte)
– … von den Sozialversicherungen ( z.B. Krankenkasse, weil sie Beiträge von beiden Parteien nachfordern möchte).
– …vom Finanzamt.

Wie wird das geprüft?

Der Status der Scheinselbständigkeit wird nach der Gesamtsituation im jeweiligen Einzelfall beurteilt. Es werden sowohl die Ausgestaltung der (Werks-)Verträge als auch die tatsächlichen Verhältnisse im beruflichen Alltag geprüft, eine Vielzahl von Kriterien können herbeigezogen werden, um den Status festzustellen. Die Beweislast liegt bei den Prüfern.

Welche Kriterien werden herbeigezogen?

Grundsätzlich kann ein Selbständiger als rentenversicherungspflichtig und/oder als scheinselbständig gelten, wenn er…

– …regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und
– …dauerhaft und nur für einen Auftraggeber tätig ist, der ihm rund 5/6 seines Umsatzes beschert und somit maßgeblich sein unternehmerisches Risiko beeinflusst (mögliche Abstufung: Arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit)
– …in einer Umgebung arbeitet, die dem Auftraggeber Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten gewährt, die seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit einschränken.

Konkret werden z.B. folgende Kriterien zur Arbeitsweise des Freelancers/ des Selbständigen geprüft:

– Ist er verpflichtet allen Weisungen des Auftraggebers zu folgen?
– Arbeitet er weder auf eigenen Namen noch auf eigene Rechnung?
– Muss er bestimmte Arbeitszeiten (etwa die Arbeitszeiten des Unternehmens) einhalten?
– Verrichtet er dieselben Aufgaben wie Festangestellte des Unternehmens?
– Befindet sich sein Arbeitsplatz (verpflichtend) in den Räumen des Auftraggebers oder gibt der Arbeitgeber einen anderen Arbeitsort vor?
– Muss er regelmäßig und in hoher Frequenz detaillierte Berichte über seine Leistungen beim Auftraggeber vorlegen?
– Muss er bestimmte Hard- und Software nutzen, die dem Auftraggeber die Möglichkeit geben, ihn zu kontrollieren?
– Tritt er in der Geschäftswelt nicht mehr als Selbständiger auf? (Macht also keine Werbung für sich, nutzt kein eigenes Briefpapier, eigene Visitenkarten, akquiriert keine Kunden etc.)
– Hat er zuvor bei dem selben Arbeitgeber die selben Aufgaben als Arbeitnehmer erfüllt?

Je öfter diese Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können, desto naheliegender ist die Feststellung der Scheinselbständigkeit. Welche Auswirkungen diese Feststellung auf den ehemaligen Auftraggeber und auf den ehemaligen Auftragnehmer haben, lest Ihr im Beitrag „Scheinselbständigkeit Teil II: Auswirkungen“.

Quellen und weiterführende Informationen:

IHK Frankfurt-Main
http://www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/arbeitsrecht/scheinselbstaendigkeit/
Deutsche Rentenversicherung Bund
http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/2_Rente_Reha/01_rente/01_grundwissen/01_wer_ist_pflichtversichert/01a_selbststaendige/04_personen_mit_einem_auftraggeber.html
BFB
http://www.freie-berufe.de/themen/soziale-sicherung/scheinselbststaendigkeit.html
WirtschaftsWoche
http://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht/rein-rechtlich-scheinselbststaendigkeit-boese-falle-fuer-unternehmer/8183884.html
http://www.vermittlerberatung.com/folgen-fur-den-auftraggeber-bei-scheinselbststandigkeit-von-auftragnehmern-und-mogliche-risikominimierung-durch-den-auftraggeber
Süddeutsche Zeitung online zum Bundestag
http://www.sueddeutsche.de/politik/billige-arbeitskraefte-wie-der-bundestag-scheinselbstaendige-ausnutzt-1.1694438-2
Abendzeitung München zur Verurteilung eines Unternehmers
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.wegen-scheinselbstaendigen-muenchner-reinigungsunternehmer-verurteilt.d54f875a-c52a-4c25-b327-e738aebe0e7b.html

Aus unserem Blog: Wie mit tagwerk corporate ein Kriterium von Scheinselbständigkeit vermieden werden kann
http://mein-tagwerk.de/app/blog/content/scheinselbstandigkeit-vermeiden-mit-tagwerk-corporate.html

 

Bitte beachtet, dass dieser Beitrag  nicht die rechtliche oder formale Beratung durch einen Steuerberater, einen Anwalt oder die Deutschen Rentenversicherung Bund ersetzt. Er dient lediglich als Überblick über mögliche Kriterien und Folgen der Scheinselbständigkeit.

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